Hautnah in der Maria – Gress – Schule 2015
Wenn die Dirigentin den Einsatz zum ersten Lied eines Konzerts gibt, ist es, als setzt sich ein Zug in Bewegung, der unaufhaltsam mit zunehmender Geschwindigkeit und Dynamik seinem Ziel zurast. Alle Beteiligten sitzen in diesem Zug und die „Landschaft“ draußen – die Noten, die Töne, der Text – fliegen nur so an ihnen vorbei. Bei diesem Tempo vermag man es kaum einzuschätzen, wie dieses oder jenes Lied beim Publikum wirklich „rüberkam“. Ob all das umgesetzt wurde, was im Vorfeld der Proben so oft bemängelt und noch öfter geübt wurde. Man ist in diesen Minuten zu sehr Teil des Geschehens, konzentriert auf sich, seine Nebenmänner und auf die Dirigentin, um ein klares Urteil fällen zu können. Erst nach dem letzten Lied fällt diese Anspannung ab und der Sänger stellt sich unsicher die Frage: „Sind die Leute auf diesen rasenden Zug mit aufgesprungen und haben Sie sich mittragen lassen? Ist das nun „Gefälligkeitsklatschen“ oder echter Applaus?“
Nach dem zweiten „hautnah“-Konzert war das Urteil eindeutig: Es war begeisterter und wohlverdienter Applaus des anwesenden Publikums. Nebenbei: Es wäre keinem Sänger in den Sinn gekommen, eine solch große Zuhörerzahl vorauszusagen. Die Zahlen lagen zwischen grenzenlosem Zweckpessimismus und ungefähr der Hälfte der dann wirklich erschienenen Zuhörer – grob geschätzt hatten ca. 197 Iffzer Bürger den Weg in die „Maria-Gress-Schule“ gefunden.
Was Vorstand Kilian Leuchtner in seiner Begrüßung angekündigt hatte, sollten dann die Iffezheimer Sänger im Laufe des Abends erfolgreich in die Tat umsetzen: Lieder, die bewegen sollten, nicht zuletzt den Chor selbst. Sein Dank ging an die Schulleitung, die diesen besonderen Raum für uns zur Verfügung stellte. Als Vertreterin des Hausherrn, Rektor Carsten Bangert, der verhindert war, begrüßte Konrektorin Birgitta Manz die Gäste, hieß Chor und Publikum in ihrer Schule willkommen und wünschte allen einen spannenden Abend.
Mit der „Fanfare a capella“ kamen die Sänger aus dem Kellergeschoss und betraten mit Foyer und Musiksaal der Schule den Schauplatz der folgenden 75 Minuten. Wie schon beim „hautnah1“-Konzert stellten auch diesmal wieder einzelne Sänger die jeweiligen Stücke mit einigen erklärenden Worten selbst vor. Mit „Good News“, einem fröhlichen, gelösten Gospelchor, begann das Konzert schwungvoll, um gleich anschließend das nachdenkliche Resümee des Lebenswegs eines Mannes zu ziehen, der alle möglichen verschlungenen Pfade gegangen ist und dabei aber immer seinem eigenen Weg folgte, auch wenn er sich dabei mal verrannte. Frank Sinatra hat „My Way“ weltbekannt gemacht.
Und dann war er da, der große Moment. „Ein Haus am See“ galt es zu besingen. Oberflächlich betrachtet ein harmlos dahingeträllerter Schlager von Peter Fox. Bei genauer Betrachtung ein einziges Minenfeld! Mehrstimmigkeit in den Stimmen, Einsätze an Stellen, die man anfangs für kaum singbar hielt, Harmonien, die sich vehement gegen ihre Erschließung zu wehren schienen. Von der „richtigen“ Interpretation der einzelnen Passagen ganz zu schweigen. Jedenfalls dauerte es seine Zeit, bis die Iffezheimer Sänger das Dickicht dieses Liedes wirklich durchdrungen hatten. Mit zunehmender Sicherheit wird dieses Lied aber ganz gewiss ein Aushängeschild für den Chorgesang sein. Das Publikum jedenfalls war von unserer Version dieses Hits begeistert und spendete lang anhaltenden Beifall. Damit war der schwerste Brocken dieses Abends aus dem Wege geräumt und der Rest des Konzerts konnte wesentlich entspannter angegangen werden. Herbert Grönemeyers „Mambo“ erschien danach leicht. Jens Kalkbrenner am E-Bass und Thilo Klumpp mit seiner „Cajòn“ unterstrichen für ihren Instrumenten den lateinamerikanischen Rhythmus dieses Stücks, das der Chor langsam auch in der Rubrik „Muss auswendig gesungen werden“ ablegen kann. Wie „Spanische Nächte“ sich auf die Gemütslage eines Männerchors auswirken, förderte der nächste Beitrag zu Tage. Die innere Haltung eines stolzen Matadors darstellen, der die weiten Felder „Wein“ und „Weib“ in Gesang umsetzt? Das ist jedem einzelnen MGV-Sänger inzwischen in Fleisch und Blut übergegangen und eine der leichtesten Übungen für ihn. Mit dem schmissigen „Rock my Soul“ entließ man ein aufmerksames und zufriedenes Publikum in die Pause.
Die ersten Klänge des „Jazz-Kanons“ riefen dann alle Sänger und Zuhörer wieder zusammen. Auch eines dieser Lieder, das anscheinend leicht zu singen ist, aber nur in ganz seltenen Fällen – bislang eigentlich noch nie – so enden, wie sich der Komponist das eigentlich gedacht hatte. Es scheint eine Lebensaufgabe für uns zu werden… Danach zog sich der Chor in die Höhen des Treppenhauses zurück und entschwand so den Blicken der meisten Zuhörer. Die hohe Eingangshalle war dann der angemessene Resonanzboden für die beiden folgenden Lieder. „Herrliche Berge“ besangen wir und aus den Höhen des Treppenhauses schwoll der Klang der 40 Stimmen in majestätische Höhen. Matthias Greß hatte dazu einige Fotos zusammengestellt, die, an die große Leinwand geworfen, Ton und Bild harmonisch zusammenfließen ließen. Dann kam ein Instrument zum Einsatz, das wir als begleitendes Soloinstrument noch nie eingesetzt hatten: Annette Brenners Celloklänge konzentrierte die Aufmerksamkeit aller auf sich. Weich und getragen gab sie dem Chor die Melodie vor für „Conquest of Paradise“, der sie summend aufnahm und verstärkte. Gerry Schippinger ergänzte das allmählich wachsende Klanggebilde am Klavier. Langsam stiegen die Sänger die Treppe ins Foyer hinunter und sangen dort dieses wunderschöne Lied zu Ende. Mit den Spirituals „Swing low“ und „Heaven is a wonderful place“ wurde dann der Schluss des Konzerts eingeläutet, bei dem die Zuhörer mitgerissen wurden und den Chor mit rhythmischem Klatschen begleiteten. Den Schlusspunkt setzten wir dann mit dem Kracher „Barbara Ann“ aus dem Jahre 1961 von den Beach Boys. Zuvor aber ließen die Sänger noch demonstrativ die Notenmappe zu Boden fallen und zeigten sich so losgelöst von allem Ballast. Der langanhaltende Beifall und die vehemente Forderung nach Zugaben waren zum guten Schluss der Lohn für die Arbeit der vergangenen Wochen. Der „gemütliche“ und weitaus längere Teil des Abends war dann auch nochmal ein Zeichen dafür, wie gut es allen Beteiligten gefallen hatte. Die Iffezheimer Sänger hatten wieder mal eine großartige Gemeinschaftsleistung vollbracht, die ihresgleichen sucht. Am Ende ging der Dank an alle, die zu diesem Erfolg beigetragen haben. An alle Instrumentalisten, an alle Helfer und Helferinnen, an Beatrix Pflüger, die wieder ein Wohlfühlambiente geschaffen hatte, an Frau Manz von der Schulleitung und an den Hausmeister Manfred Austen. An letztere geht die Bitte: Wir würden gern wiederkommen? An alle andern geht die Aufforderung: Kommt doch nächstes Mal einfach wieder!
Weshalb wir singen? Weil es einfach Spaß macht, sich selbst zusammen mit anderen immer wieder neu zu erproben! Und weil der Iffezheimer Männergesangverein leben soll. Er soll auch die nächsten 158 Jahre gut überstehen.
Aber dazu braucht’s Sänger.
Was wir also suchen sind: Männer!
Männer, die gerne singen.
Männer, die sich genau das noch nie vorstellen konnten.
Männer, die gerne in guter Gesellschaft sind.
Männer, die gerne lachen.
Männer, die gern was machen.
Singen ist der entschlossene Schritt hin zu einem noch besseren Leben!